Brauche ich einen Ehevertrag? Wann ein Ehevertrag sinnvoll ist

Wenn die Hochzeitsglocken läuten, kennt die Freude für die frisch Vermählten keine Grenzen. Fast niemand möchte sich in Erwartung des großen Tages mit der Möglichkeit beschäftigen, dass die Ehe einmal geschieden wird. Die Hoffnung auf das ewige Glück trübt nur die ernüchternde Statistik: Im Jahr 2019 belief sich die Scheidungsrate in der Bundesrepublik auf fast 36 Prozent: Gut jede dritte Ehe wird geschieden. Vorsicht ist also besser als Nachsicht: Sich vor der Ehe Gedanken zu machen, wie eine Trennung oder Scheidung finanziell geregelt würden, ist vor allem vernünftig. Der folgende Artikel gibt Aufschluss darüber, welche Regelungen mit und ohne Ehevertrag gelten und wie ein Ehevertrag aussehen muss.

Was passiert im Scheidungsfall?

Ohne Ehevertrag gelten die gesetzlichen Regelungen im Scheidungsfall. Hierbei hat der Gesetzgeber die Normvorstellungen einer üblichen Ehe als Grundlage genommen: Die Ehefrau als Kinder betreuende Hausfrau und der Ehemann als Alleinverdiener. Diese klassische Ehe trifft auf die Lebensrealität der Ehepaare jedoch immer weniger zu. Wenn eine Ehe von diesem Modell abweicht, kann ein Ehevertrag Abhilfe schaffen, der statt der gesetzlichen Regelungen greift.

Gesetzliche Regelung: Die Zugewinngemeinschaft

Wenn kein Ehevertrag vorliegt, ist ein Ehepaar in einer sogenannten Zugewinngemeinschaft. Dann wird im Scheidungsfall ein Vergleich zwischen dem Anfangsvermögen und dem Schlussvermögen angestellt. Das Anfangsvermögen bezeichnet das Vermögen des Ehepaars bei Eheschließung – das Schlussvermögen dasjenige, was sie zu dem Zeitpunkt besitzen, wenn die Scheidung beim Gericht beantragt wird. Im Scheidungsfall wird dann die Hälfte des Mehrzugewinns an Vermögen, das einem Ehepartner in der Ehe entstanden ist, dem anderen Ehepartner zukommen.

Ein einfaches Beispiel verdeutlicht dies: Herr Schmidt besitzt am Tag der Eheschließung 20.000 €. Frau Schmidt besitzt ein Vermögen von 30.000 €. Am Tag des Scheidungsantrags hat Herr Schmidt 60.000 €, Frau Schmidt besitzt jedoch 40.000 €. Bei Herrn Schmidt liegt ein Zugewinn von 30.000 € vor – bei Frau Schmidt ein Zugewinn von 10.000 €. Herr Schmidt hat ein Mehr an Vermögenszuwachs von 20.000 € im Vergleich zu seiner Frau. Davon gibt er die Hälfte ab: 10.000 €.

Diese Regelung ist jedoch nicht in Stein gemeißelt, wenn ein Ehevertrag geschlossen wird. Damit können auch einzelne Vermögensgegenstände, wie zum Beispiel ein Eigenheim, aus der Zugewinnrechnung herausgehalten werden. Möglich ist auch, dass die Zugewinngemeinschaft völlig ausgesetzt ist. Das hat Auswirkungen auf den Vermögensausgleich, der entweder geringer ausfällt oder gar nicht stattfindet.

Was ist bei einem Erbe zu beachten?

Wenn ein Ehepartner Vermögen erbt, ist es für die Zugewinngemeinschaft nicht relevant. Das Erbe gilt nicht als Zugewinn und wird nicht auf das Vermögen im Scheidungsfall aufgerechnet. Aufgepasst werden muss jedoch beim sogenannten Wertzuwachs: Wenn geerbtes Vermögen an Wert zunimmt, betrifft es wieder die Zugewinnrechnung.

Am Beispiel: Frau Schmidt wird in einem Erbe mit einer Immobilie im Wert von 300.000 € bedacht. Im Verlauf der Ehe steigt der Wert der Immobilie immens: Nach 20 Jahren Ehe beträgt der Wert der Immobilie 500.000 €. Der Wertzuwachs von 200.000 € wird mit in die Berechnung des Zugewinns genommen: Es besteht eine Ausgleichspflicht.

Mit Ehevertrag möglich: Verzicht auf Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich

Grundsätzlich ist es möglich, mit einem Ehevertrag auf Ehegattenunterhalt zu verzichten. Wenn ein Elternteil jedoch nicht weiter voll berufstätig sein kann, um sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern, ist der Verzicht nicht wirksam. Auch in einem anderen Fall ist der Verzicht auf Ehegattenunterhalt nicht wirksam möglich: Wenn der oder die Verzichtende ansonsten staatliche Leistungen beziehen müsste.
Auch die Rentenansprüche werden im Scheidungsfall ohne Ehevertrag beim sogenannten Versorgungsausgleich aufgeteilt. Die Rechnung funktioniert ähnlich wie beim Vermögensausgleich.

Ein Beispiel: Herr Schmidt hat in 15 Jahren Ehe Rentenansprüche erarbeitet, die sich auf 300 € pro Monat belaufen. Frau Schmidt hat es in der gleichen Zeit jedoch nur zu Rentenansprüchen in Höhe von monatlich 150 Euro gebracht. Deshalb werden bei der Scheidung über den Versorgungsausgleich 75 € von Herr Schmidts Rentenansprüchen auf Frau Schmidt übertragen.

Da die Frage im Einzelfall sehr verschieden zu beantworten ist, ob ein Verzicht auf Unterhalt oder auf den Versorgungsausgleich wirksam sein kann oder nicht, ist ein Beratungsgespräch zu empfehlen. Wenden Sie sich gerne an uns, um zu erfahren, was in Ihrer Situation möglich ist.

Was muss ich bei der Schließung eines Ehevertrags beachten?

Die notarielle Beurkundung ist bei der Schließung eines Ehevertrages Pflicht. Ansonsten erhält der Vertrag keine Wirksamkeit. Melden Sie sich für eine Beratung gerne bei uns.

Notar Sebastian Jannsen

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