Wann ist ein Berliner Testament sinnvoll und wann nicht?

Fast jedem ist das Berliner Testament ein Begriff. Bei dieser Testamentform handelt es sich um ein gemeinsames Dokument von Lebenspartnern oder Ehegatten. Sollte einer der beiden vor dem anderen versterben, ist der noch lebende Partner alleiniger Erbe. Hinzukommt eine Regelung über das Erbe nach dem Tod des zweiten Partners. In der Regel sind die Erblasser die Eltern – und die Kinder nach dem Tod beider Eltern als Erben eingetragen. Für Laien sind die rechtlichen Konsequenzen eines Berliner Testaments häufig nicht abzuschätzen. Wenn ein Berliner Testament gewünscht ist, sollte zur Erstellung ein Fachkundiger hinzugezogen werden, der alle möglichen Rechtsfolgen im Blick hat. In diesem Überblick erfahren Sie, welche Vor- und Nachteile das Berliner Testament hat – anhand lebensnaher und verständlicher Beispiele.

Vorteile

Erster Vorteil: Kinder als Erben aussetzen bis zum Tod des zweiten Elternteils

An einem einfachen Beispiel lässt sich der größte Vorteil des Berliner Testaments verdeutlichen. Herr und Frau Schmidt haben eine gemeinsame 18-jährige Tochter. Zum Eigentum der Eheleute Schmidt gehört ein Eigenheim, das sie gemeinsam bewohnen. Frau Schmidt stirbt überraschend nach einer Komplikation während eines Routine-Eingriffs. Niemand hätte mit ihrem Tod gerechnet – auch sie selbst nicht. Aus diesem Grund hat sie kein Testament hinterlassen. Nun greift das gesetzliche Erbrecht: Die Hälfte des Erbes eines Elternteils kommt den Kindern zu. Damit erbt die 18-jährige Tochter der Schmidts 50 Prozent – auch vom Haus. Nach dem Grundbucheintrag kann Herr Schmidt nun keine Entscheidung ohne die Miteigentümerin, seine Tochter, treffen. Dies betrifft die Vermietung, den Verkauf des Hauses oder das Aufnehmen einer Hypothek auf die Immobilie.

Mit dem Berliner Testament wäre das nicht passiert: Dann behielte Herr Müller die Entscheidungsgewalt und könnte ohne die Einstimmung seiner Tochter das Haus mit einer Darlehens-Hypothek belasten, es verkaufen oder vermieten. Bei einem Berliner Testament erbt zuerst der noch weiterlebende Partner – und erst nach dem Versterben beider Elternteile das Kind oder die Kinder.

Zweiter Vorteil: Keine heimlichen Änderungen durch den Ehepartner

Zusätzlich bietet das Berliner Testament auch den Ehepartnern eine weitere Sicherheit: Wenn jeder Partner ein eigenes Testament erstellt, kann er auch ohne das Wissen des Anderen Änderungen vornehmen – oder das Dokument ganz zerstören. Wenn beide zusammen ein notarielles Testament erstellen, ist dies ausgeschlossen. Ein Widerruf wäre nur durch eine notariell beurkundete Erklärung möglich. Dies erfordert, dass der Partner darüber in Kenntnis gesetzt wird: Durch eine formelle Zustellung des Widerrufs.

Nachteile

Erster Nachteil: Pflichtteilsanspruch der Kinder besteht weiterhin

Dass der weiterlebende Partner als Alleinerbe eingesetzt ist, bedeutet nicht, dass jeglicher Erbanspruch der Kinder verfällt. Bei Nichtberücksichtigung im Erbfall haben die Kinder weiter einen Anspruch auf einen Pflichtteil. Der noch lebende Ehepartner muss den Pflichtteil an die Kinder zahlen, wenn sie ihren Anspruch geltend machen. Der Nachteil ist offensichtlich, denn dies gilt auch, wenn zum Erbe eine Immobilie gehört. Wenn der Pflichtteil nicht anders erbracht werden kann, ist nicht ausgeschlossen, dass ein Verkauf des Hauses notwendig wird.

Pflichtteil-Ausschüttung verhindern: Mit der Pflichtteilsstrafklausel

Mit der Pflichtteilstrafklausel kann Kindern der Anreiz genommen werden, einen Anspruch auf den Pflichtteil geltend zu machen. Sollten die Kinder nach dem Versterben des ersten Partners ihren Pflichtteil einfordern, würden sie mit dieser Klausel für den zweiten Erbfall enterbt und infolgedessen nach dem Tod beider Partner leer ausgehen.

Zweiter Nachteil: Doppelte Erbschaftssteuer

Auch beim Vererben größerer Vermögenswerte kann ein Berliner Testament nachteilig sein, denn dann wird zweimal vererbt: Zunächst an den Ehepartner und dann bei dessen Ableben die Kinder. Dann könnte die Erbschaftssteuer doppelt fällig werden!

Ist eine Änderung oder Auflösung des Berliner Testaments möglich? Warum sollte das nötig werden?

Nicht selten wird bei der Abfassung eines Berliner Testaments nicht für den Fall vorgesorgt, dass die Regelung eines Testaments möglicherweise doch nicht wirksam werden soll. Wenn der Ehepartner verstirbt und nicht ausdrücklich im Berliner Testament enthalten ist, dass der noch lebende Partner in diesem Fall Änderungen an dem Dokument vornehmen oder eine Aufhebung erwirken kann, behält das Testament seine Rechtskraft und der noch lebende Ehepartner kann nichts mehr verändern.

Ein lebensnahes Beispiel kann verdeutlichen, warum eine solche Klausel nötig werden könnte: Die Eheleute Schmidt haben in einem Berliner Testament geregelt, dass sie im Falle des Todes des einen Partners jeweils Alleinerben sind. Nach dem Tod von Herrn Schmidt kommt es zum Streit zwischen Frau Schmidt und einem Kind. Daraufhin bricht das Kind jeglichen Kontakt zur Mutter ab und schlägt wiederholte Kontaktversuche der Mutter aus. Schon viele Jahre besteht nun kein Kontakt mehr. Seit dem Tod des Ehegatten unterstützt das zweite Kind Frau Schmidt im Alltag, da sie aufgrund ihres Alters nicht mehr allein in der Lage ist, den Haushalt zu führen. Frau Schmidt entschließt sich schweren Herzens, ihr verlorenes Kind zu enterben und das nahestehende Kind als alleinigen Erben einzusetzen. Jedoch erfährt sie beim Notarbesuch, dass für diesen Fall keine Regelung im Berliner Testament aufgenommen wurde: Ohne den bereits verstorbenen Ehepartner kann Frau Schmidt nichts ändern. Wenn die Eheleute Schmidt einen entsprechenden Passus mitaufgenommen hätten, wäre diese Änderung möglich gewesen.

Notar Sebastian Jannsen

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